Donnerstag, 18. September 2014

Inklusion um jeden Preis?

Unsere 20-Piraten-Fraktion macht das, was sie schon immer getan hat - sie verspielt jeden Ball! Es geht um das Thema Stefan Fricke und seine abgesagte Reise in die Türkei. Die TAZ nahm sich dieses Themas an und schrieb: " ... derzeit sieht sich die Landtagsverwaltung noch nicht einmal dazu in der Lage, einem Abgeordneten im Rollstuhl die Teilnahme an einer Auslandsdelegation zu organisieren."

Betrachtet man die Pressemitteilung der Verwaltung des Landtags NRW in Sachen Klage von Stefan Fricke, sind insbesondere die Punkte 6 und 7 in der Pressemitteilung die interessantesten. Unter Punkt 6 steht geschrieben, Zitat: "Den Vorschlägen des Abgeordneten Fricke, einen behindertengerechten Bus von Deutschland in die Türkei zu transferieren, Transportmittel des türkischen Militärs für ihn zu ordern sowie in der Türkei einen Bus behindertengerecht umzubauen, konnte aus nachvollziehbaren Gründen nicht entsprochen werden."

Ich meine, das kann man verstehen. Inklusion ist nun mal noch nicht überall auf der Welt ein Thema. Man versucht nun selbst mit allen Mitteln, die Chance zu erhalten, als Landtagsabgeordneter und Mitglied der Parlamentariergruppe Türkei seine Aufgaben wahrzunehmen. Leider bleibt Stefan das Ganze an dieser Stelle versagt. Ob man nun aber gleich "Panzer" dazu umbauen lassen muss, oder einen umgebauten Bus vom Landtag für die Reise in die Türkei zu fahren, den Reiseweg mit behindertengerechten Toiletten zu versehen und anderem, das ist angesichts der Kosten, die das verursacht und für einen einmaligen Weg doch etwas ... nun sagen wir - zu viel des Guten.

Also, diese Forderungen sind jenseits von gut und böse. Nur gut, dass es keine Gruppe Himalaja gibt oder eine Gruppe Urwald. Sonst müsste ein Weg zum Gipfel geebnet werden oder ein Pfad durch den Dschungel geschnitten. Leider ist es so, Inklusion ist im Rahmen von Möglichkeiten eine sinnvolle Sache. Es gibt aber Grenzen, und diese sind hier erreicht.

So weit könnte man nun Stefan den schwarzen Peter in die Schuhe schieben. Was nun aber passiert, ist mal wieder typisch für unsere Piratenfraktion. Man hält sich komplett raus. Ach nee? Warum eigentlich?

Punkt 7 in der Pressemitteilung der LT-Verwaltung listet nun detailliert auf, was alles für diesen speziellen Abgeordneten im Landtag gemacht wird? Ich zitiere den ganzen Absatz: "Der Landtag Nordrhein-Westfalen lässt sich nicht vorwerfen, sich nicht für Menschen mit Behinderungen einzusetzen. Gerade für den Abgeordneten Fricke hat der Landtag erhebliche Leistungen erbracht. So hat ihm der Landtag unter großem finanziellen Aufwand eine eigene Dusche plus Toilette eingerichtet, finanziert einen zusätzlichen Mitarbeiter und stellt ihm einen behindertengerechten PKW zur Verfügung. Das Engagement der Landtagsverwaltung zeigte sich aber auch bei vorangegangenen Reisen. So wurde u.a. dem Abgeordneten Fricke die Teilnahme an der Informationsreise der Parlamentariergruppe NRW-Türkei nach Berlin Anfang 2014 ermöglicht."

Das hört sich nun aber echt danach an als ob Stefan dem Landtag auf ewig dankbar sein müsste? Oder gar die ganze Piratenfraktion?

Statt das nun als Steilvorlage zu nehmen und eben hier genau das Versagen der Landtagsverwaltung und der Landesregierung unter die Nase zu reiben, hält man sich eben lieber heraus und macht das zu einer privaten Angelegenheit von Stefan. Der Landtag ist eine öffentliche, dem Bürger zugewandte Instituition, die es bis zu Stefans Antritt als Abgeordneter noch nicht geschafft hatte, behindertengerecht den Landtag (um) zu bauen? Was ist das für eine Verwaltung, bzw. für eine Landesregierung, die Inklusion als notwendiges Übel betrachtet, statt auf Anliegen dieser Menschen einzugehen? Bis heute dürfen nur Blindenhunde in den Landtag hinein. Hunde, die Menschen mit Gebrechen bei ihren ganz alltäglichen Problemen helfen, Dinge aufheben, Türen öffen usw., sind bis zum heutigen Tag im Landtag nicht gestattet!

Ganz offensichtlich ist weder unsere Landesregierung unter SPD und Grünen in der Lage dazu, "Inklusion" als Problematik in Gänze zu verstehen, noch sind die 20 Piraten fähig, angewandte Politik zu machen! Es sollte, insbesondere für unseren Landtag, eine Selbstverständlichkeit sein, Menschen mit Behinderungen ernst zu nehmen und nicht auszugrenzen. Stefan muss sich, angesichts dieser Veröffentlichung, jetzt noch bedanken, dass man "immense Kosten aufgewendet hat"? Das ist für mich ein schlechter Witz.

Der Landtag ist die oberste politische Instanz auf Landesebene und das Gebäude sollte dementsprechend in Vorbildfunktion eine barrierefreie und behindertengerechte Nutzung für jeden Bürger ermöglichen, egal ob Abgeordneter, Angestellter oder Besucher. Inklusion nur für andere, weil man das ja per Gesetz so anderen aufdrücken kann?

Hat man noch nie davon im Landtag gehört, dass man Dinge auch vorleben kann? Zitat Pressesprecher 20 Piraten: "Die Piratenfraktion ist der Meinung, die Angelegenheit sei Frickes Privatproblem. „Wir halten uns da als Fraktion komplett raus“, sagte Sprecher Ingo Schneider der taz. Man sehe hier keinen Fall von Diskriminierung. „Wenn die Landtagsverwaltung sagt, sie hat alles getan, glauben wir das.“ "

Tja, ich betrachte das Ganze als verspielten Ball. Auch wenn es möglicherweise private Sachen sind, die Fraktion sollte dennoch zeigen, dass Stefan nicht allein mit seinem Problem ist. Ich glaube auch an den Weihnachtsmann.

Ein Geschmäckle hat das Ganze zusätzlich. Interner Mailverkehr der Piraten, um die Klage fallen zu lassen? Druck, der ausgeübt wurde? Weitere Fragen, die sich an dieser Stelle auftun.

Daher - Leute - so geht es nicht! In diesem aktuellen Fall: Man hätte trotz möglicher interner Konflikte den Elfmeter auf das richtige Tor schießen können! Stattdessen macht man ein Eigentor + rote Karte daraus.

Links:
http://www.taz.de/Barrieren-fuer-Rollstuhlfahrer/!146179/
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/GB_II/II.1/Pressemitteilungen-Informationen-Aufmacher/Pressemitteilungen-Informationen/Pressemitteilungen/2014/09/1109_Stellungnahme_Klage_Fricke.jsp

2 Kommentare:

  1. Mich täte interessieren ob die von der taz verwendeten Zitate so stimmen bzw. ob diese vollständig sind.

    Wenn sie es nicht sind, frage ich mich ob die Pressestelle beim RvD interveniert hat oder es versucht hat und wenn ja und es war erfolglos warum keine kurze Klarstellung erschienen ist.

    So wie der taz Artikel es darstellt muss jeder Bürger glauben, dass die Fraktion ihren eigenen Fraktionskollegen alleine lässt. Das kann und darf eigentlich nicht ein Effekt sein den man in Kauf nimmt, wenn man nach Außen mit Inklusion um die Wählergunst wirbt.

    Ich denke auch dass Stefan ein Stück weit bei Reisen sich der Realität beugen muss, dass nicht jeder Mensch jede Reise unternehmen kann. Das mag man bedauerlich finden, aber so ist das eben. Alle Menschen haben Grenzen in ihrerer Mobilität - unabhängig ob schwerbehindert oder nicht. Ja, Schwerbehinderte und insbesonders motorisch eingeschränkte Menschen haben sicherlich weniger Möglichkeiten als nicht behinderte Menschen. Das ist bedauerlich, aber kann nicht einem Landtag angekreidet werden.

    Schön wäre gewesen dass - aus meiner zugegeben beschränkten Sicht weil ich nicht alle Informationen, wie auch alle anderen Leser, kenne, wenn Stefan statt einer Klage ggf. einen Beitrag zur Lage der Inlkusion in Europa geshrieben hätte. Auch mit dem Verweis auf die Lage in der Türkei? Schön wäre es vielleicht auch gewesen wenn die Piratenfraktion sich mit Stefan solidarisiert hätte und die Notwendigkeit von Inklusion im Parlament unterstrichen hätte und ihr Bedauern ob der Lage bzgl. Inklusion in der Türkei zum Ausdruck gebracht hätte.

    Ist aber nicht passiert. Die taz schrieb einen Artikel. Stefan klagte demnach und die Fraktion verhielt sich kalt und ohne Empathie. Und die Piraten wurden somit beim Wähler wahrgenommen als eine Mischung aus Querulanz und Kaltschnäuzigkeit gegenüber behinderten Menschen.

    Nun, man kann die Situation noch entschärfen und ich hoffe darauf und man wird hoffentlich dieses IMHO "Nicht-Gate" dennoch als Lektion werten und lernen wie man es beim nächsten Anlass besser macht.

    Simon

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  2. Es ist nicht Frickes Privatangelegenheit, weil Fricke nicht der einzige Behinderte ist, auch nicht in der Türkei.
    Wie transportiert man denn da Behinderte? Gar nicht? Oder überlässt alles den Familien?
    Die Türkei ist groß, Anatolien relativ einsam, da werden viele Strecken mit dem Bus gefahren. Stunden um Stunden. Ohne Behinderte? Gut möglich, aber: sollte man sich nicht bemühen, daran etwas zu ändern? Die Angelegenheit als Herausforderung nehmen, als Chance für die Inklusion? So einen Beispielbus umbauen und hoffen, dass es mehr werden - genug, dass auch mal eine Familie mit Angehörigem im Rollstuhl nach Anmeldung mit fahren kann?
    Hätte man beim Schäuble auch gesagt, jo, geht nicht, kanner nich mit?
    Und was ist mit Lisa Steinmann? Die sitzt auch im Rollstuhl. Ist der Umbau etwa einzig für Fricke gewesen?
    Man muss eben ein bisschen denken. Dann kommt man auf 'ne Menge Fragwürdiges, gerade wenn man die PM des Landtags liest.
    Gruß
    Otla

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