Montag, 13. April 2015

Der Wunsch nach Mitbestimmung

Auf der NRW-Mailingliste wird (mal wieder) über Delegationen zu Parteitagen diskutiert. Eingeleitet wird die Diskussion wie üblich .... allein die Überschrift mit "Proporz" .... naja, das kann man so machen ...

Für mein Dafürhalten und mit der nachfolgenden Begründung komme ich zu dem Schluss:
Ich empfehle, Anträge für ein Delegiertensystem abzulehnen.

Seit längerer Zeit streite ich mich mit mir selbst und anderen zu diesem Thema. Auf der einen Seite könnten Delegationen die Qualität von Parteitagen vermutlich erhöhen, da sich die Delegierten dadurch endlich einmal mit den zur Abstimmung stehenden Anträgen konkret auseinandersetzen müssten. Letztendlich sind sie denjenigen gegenüber Rechenschaft schuldig, die sie als Delegierte zum Parteitag entsandt haben. Auf der anderen Seite würde ein herkömmliches Delegiertensystem jedoch den Anspruch einer gelebten Basisdemokratie infrage stellen, denn es hätten nur noch die Personen ein Stimmrecht, die selbst Delegierte sind. Alle anderen wären außen vor und müssten zusehen, ohne direkten Einfluss auf die Entscheidungen nehmen zu können.

Die Piraten sind aber angetreten, um das bisherige System Demokratie auf den Kopf zu stellen und um neue Impulse zu setzen, eine zeitgemäßere und gerechtere Form einer Beteiligungs-Demokratie zu entwickeln. Nicht nur innerhalb der eigenen Partei, sondern auch, und das halte ich für wesentlich wichtiger, in die Bevölkerung hinein. Ich mag mich vielleicht irren, aber ein erster großer Erfolg der Piraten scheint sich mir diesbezüglich bereits abzuzeichnen, in der Bevölkerung wird wesentlich mehr über politische Prozesse nachgedacht als früher. Man ist, so mein Gefühl, wesentlich schneller bereit, sich selbst politisch zu positionieren und aktiv zu werden. Wer hätte denn früher gedacht, dass in Bezug auf Datenschutz so viele Menschen plötzlich eine eigene Meinung haben? Früher hieß es: "Das interessiert mich nicht". Heute sind die Antworten schon wesentlich umfangreicher. Das heißt, man hat sich zumindest mit der Thematik bereits auseinandergesetzt.

Und nun erwägt man, ein System mit Delegierten einzuführen, da auf vorherigen Parteitagen eben wenig Qualität erzielt worden ist. Sei es in Bezug auf das Abstimmen von Anträgen oder andere "Dinge". Argumente für ein Delegiertensystem gehen bis hin zu "sozialer Teilhabe", weil nun mal nicht jeder die Zeit und auch das Geld zur Verfügung hat, eventuell größere Reisen zu Parteitagen unternehmen. Auch die Parteienfinanzierung muss als ein weiteres Argument für eine Delegation herhalten.

Foti hat in seinem Antrag an den LPT [1] insbesondere den Fokus auf den Ort der Veranstaltung in seiner Begründung gelegt. Er nennt das den "Ortsbias" und geht davon aus, dass Gebiete mit einer höheren Anzahl an anwesenden Mitgliedern Abstimmungen zu eigenen Gunsten verändern können. Zusätzlich würden demnach einige Gruppen stärker benachteiligt, je weiter entfernt sie sich vom Austragungsort der Veranstaltung befänden. Denn, so seine Ausführung, je weiter weg der Ort der Veranstaltung sei, desto größer werde der Prozentsatz derer, die sich die Mühe, Zeit und Kosten, zum Parteitag zu fahren, sparen würden. Diese Argumente sind durchaus schlüssig und ein gangbarer Weg, um eine Delegation zu befürworten.

Nur ist dieser Weg, diese Form von demokratischer Teilhabe in der Zwischenzeit nicht schon zu "alt"? Ist dieses System mit Delegationen, so erprobt es auch sein mag, überhaupt noch zeitgemäß? Die Welt entwickelt sich weiter. Wir sprechen seit Jahren von einer Globalisierung und halten immer noch an Dingen fest, die uns auf einen Ort beschränken?

Eine Landtagsfraktion muss sich dieser "alten" Form von Politik im Moment noch gezwungenermaßen unterordnen, da sie sich wohl oder übel dieser Funktionsweise der Politik 1.0 anpassen muss. Würde die Fraktion dies nicht tun, stünde sie recht allein im Landtag da.

Dagegen ist jedoch ein Landesverband frei in seinem Tun. Also, warum nutzt er diese Freiheit nicht? Weshalb sollen wir Piraten nicht per trial and error herausfinden, welche neuen Spielarten von Politik, Demokratie und Teilhabe möglich sind? SMV oder BEO, sowie LQFB sind meines Erachtens nach wenig dazu geeignet, die Probleme der Zukunft zu lösen. Nicht zuletzt wegen der Thematiken Datensicherheit und Datenmanipulation. Wir Piraten haben Zeit - insbesondere nach dem Neustart im vergangenen Jahr. Wir müssen nur den Mut dazu haben, Alternativen auszuprobieren und aus eventuell auftretenden Problemen zu lernen. Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut. #NurMalSo ;o)

Wie also kann man den Wunsch nach Mitbestimmung realisieren?

Es fiel einmal mehr der Begriff - Dezentraler Parteitag - Jeder, der mich kennt, wird wissen, dass ich ein Gegner dieser Idee bin, weil zwei gleichberechtigte Orte, an denen ein Parteitag gleichzeitig stattfindet, lösen das Problem der räumlichen Trennung nicht. Auch der technische Aufwand ist enorm und ist nicht mit unseren Mitteln, erst recht nicht mit den finanziellen, zu leisten.

Ich habe die vergangenen Parteitage einmal genauer aus der Entfernung betrachtet und gesehen, dass sowohl zu den LPTs, als auch zu den BPTs, viele "Public-Viewings" stattfinden. Gruppen finden sich in den Kreisbüros oder am Stammtisch zusammen und sind live mit dem übertragenen Videostream verbunden. Die Parteitagsatmosphäre wird durchaus auch an die vielen "dezentralen" Orte transportiert.
Daraufhin stellte ich mir die Frage: "Kann man das nicht nutzen?"

Lange Rede, kurzer Sinn, ich gebe das betreffende Pad [XX] mit der grundlegenden Idee frei, mit der man Delegationen vielleicht erst gar nicht benötigt und wie man möglicherweise dezentrale Parteitage doch etablieren kann. Die Grundidee ist und bleibt die Entwicklung einer anderen Form von Beteiligung, um eine andere, neue Politik in ebenfalls neuer Umgebung entwickeln zu können. Anwendbar in Landes- wie auch Bundespolitik.

[XX] Bitte da entlang! -> https://nebelhorn.piratenpad.de/24
[1] http://wiki.piratenpartei.de/NRW:Landesparteitag_2015.1/Antr%C3%A4ge/S%C3%84A001

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